Unterwegs jenseits des Arno in Florenz

Wo die wahren Künstler sind - Das Oltrarno

Wer im Florentiner Stadtteil Oltrarno - jenseits des Arno “oltre Arno“ - spazieren geht, darf in den vielen kleinen Werkstätten den Kunsthandwerkern der Stadt über die Schulter schauen und lernt, wie Papier marmoriert, Bilderrahmen vergoldet oder Maßschuhe hergestellt werden.

Die Uffizien, der David und all die anderen in der ganzen Welt bekannten Künstler und Kunstwerke sind immer eine Reise nach Florenz wert. Natürlich! Aber: Wer die Stadt einmal abseits der ausgetretenen Touristenpfade kennenlernen will, sollte sich auf den Weg in den südlich des Arnos liegenden Stadtteil Oltrarno machen.

Regina Hahnel lebt seit vielen Jahren in Florenz und begleitet Besucher gerne dorthin. Oltrarno ist der Lieblingsstadtteil der Stadtführerin, die ihren Beruf auch als Leidenschaft versteht. „In Oltrano waren immer eher die armen Leute zu Hause. Und manchmal wird es fast unheimlich zwischen diesen großen Häusern und in den engen kleinen Straßen dazwischen, aber ich liebe sie“, erzählt sie. „Ich finde es so typisch.“

Unter Florentinern

In Oltrarno ist man nach den Worten der Stadtführerin viel häufiger nur unter Florentinern als im touristischen Teil der Stadt. Und dass die Besucher die „echte“ Stadt kennenlernen, das ist ihr wichtigstes Ziel: „Es kommt mir darauf an, dass die Gäste das Gefühl haben, die Stadt und ihre Bedeutung zu verstehen. Auch, warum gerade gewisse Dinge in Florenz passiert sind.“ Dass die Renaissance in Florenz entstanden sei, ist laut Regina Hahnel alles andere als Zufall. „Da haben viele Elemente mitgespielt. Der Reichtum der Stadt. Die Tatsache, dass die Stadt eine Republik war, also nicht von einem einzelnen Herrscher regiert wurde, so dass große Meinungsfreiheit herrschte. Und dass enorme Genies da waren!“ Regina Hahnel bezeichnet die Renaissance als „Sprungbrett für die Erneuerung der Kunst überall: Hier hat sie begonnen, und dann ist sie weitergegangen. Erst in den italienischen Raum, dann in den deutschsprachigen Raum. Also: Hier war der Ursprung.“

Viele der großen Meister, die Florenz hervorgebracht hat, haben eine Ausbildung als Goldschmied gemacht. Zum Beispiel Lorenzo Ghiberti, Filippo Brunelleschi oder Benevenuto Cellini. Und: In Florenz gibt es auch heute noch eine internationale Goldschmiedeschule.

In Oltrarno finden Sie aber auch Werkstätten, die das herrliche, marmorierte Papier herstellen, für das Florenz berühmt ist. Buchbinder, die Kalender, Tage- und Gästebücher oder Bücher für besondere Anlässe noch ausschließlich von Hand binden. Steinleger, die Florentiner Mosaik entstehen lassen, das wie ein Gemälde aussieht, aber vollständig aus Edel- und Halbedelsteinen besteht. Schuhmacher, die Maßschuhe nähen. Junge kreative Menschen, die ihren eigenen Modesalon eröffnet haben. Vergolder, die Spiegel und Bilderrahmen vergolden. Restauratoren, die alte Möbel wieder wie neu aussehen lassen oder sich auf Glas, Keramik, Elfenbein, Marmor oder Porzellan spezialisiert haben.

Empfehlungen der Florenz-Kennerin

Überqueren Sie den Fluss und lassen Sie sich treiben! Gehen Sie in die kleinen, engen Straßen, in denen es scheint, als sei die Zeit stehengeblieben – käme nicht irgendwann eine knatternde Vespa vorbei. Viele der alten Häuser und Paläste haben im Erdgeschoss Tore, durch die man einen Blick in die Werkstätten der Kunsthandwerker werfen kann. Oft sind die Räume dunkel, denn das Licht fällt nur durch das Tor herein und in den engen Straßen ist es auch nicht sonderlich hell.

Wahre Meisterwerke

In der Via Santo Spirito, in unmittelbarer Nähe der herrlichen Kirche Santo Spirito, befinden sich die Werkstatt und der Laden der Firma Ippogriffo. Die kleine Eingangstüre führt in eine ganz eigene Welt. Gianni Raffaelli begann vor mehr als 40 Jahren, sich für die alte Technik der Ätzradierung zu interessieren. Er kaufte alte Radierungen und begann, die Technik zu erforschen. Heute widmet er ihr sich gemeinsam mit seiner Frau Francesca und seinem Sohn Duccio – und schafft wahre Meisterwerke. Es ist faszinierend, ihnen bei ihrer Arbeit zuzusehen.

Die italienische Bezeichnung für das Handwerk – „Acquaforte“ – deutet auf das Medium hin, mit dem die Raffaellis arbeiten: das Ätzwasser. Alles wird von Hand gemacht. Zunächst wird eine Kupferplatte mit Wachs bedeckt. Mit einer Nadel wird dann die Zeichnung in das Wachs graviert. Dann wird die Kupferplatte in das Ätzwasser gelegt. Dort, wo das Wachs graviert wurde, ist sie jetzt nicht mehr geschützt und wird verätzt. Dieser Vorgang wird mehrmals wiederholt. Je länger die Platte im Ätzwasser liegt, desto dunkler werden die gravierten Stellen.

Hergestellt wird ein Negativ, also das seitenverkehrte Abbild der eigentlichen Radierung. Deshalb arbeitet Gianni Raffaelli mit einem Spiegel. Je nachdem, wie aufwendig die Radierung ist, dauert es bis zu einen Monat, bis eine Gravur fertig ist. 

Beim Druck entsteht dann aus dem Negativ das Positiv: Die Kupferplatte wird vom Wachs gereinigt, mit Tinte bestrichen, so dass sie in den eingeätzten Vertiefungen hängenbleibt – und dann wird gedruckt. Ein feuchtes, qualitativ hochwertiges Papier – Büttenpapier – wird auf die Platte aufgelegt und durch die Druckwalze geschoben. Das feuchte Papier saugt die Farbe aus der Kupferplatte – und so entsteht die fertige Radierung. Die Raffaellis nummerieren jeden Abzug – höchstens 150 werden von einer einzelnen Platte hergestellt.

Zum Teil werden die Radierungen koloriert. Im Geschäft findet sich etwas für jeden Geschmack: Veduten von Florenz, Obst- und Gemüsedarstellungen, Illustrationen fürs Kinderzimmer und Kopien von Meisterwerken der Architektur, Bildhauerei und Malerei.

Herrliche Düfte

Zur linken Hand des Ponte Vecchio befindet sich die Via dei Bardi. Die Straße liegt am Fuße des Hügels, der zur Forte Belvedere hinaufführt, von wo aus man einen fantastischen Blick über Florenz genießen kann. Und doch verirren sich hierhin nur selten Besucher.

Es ist das Gebäude mit der Hausnummer 12, aus dem die herrlichen Düfte kommen. Wer hier herfindet, ist zu Gast bei Lorenzo Villoresi, der hier seit 1990 seine eigenen Parfüms herstellt.

Villoresi hat ursprünglich antike Philosophie studiert, reiste nach Afrika und in den Orient. Was ihm dort an Düften begegnete – Gewürze, Hölzer, Steine – hat ihn zusammen mit den heimischen Düften, wie dem von Alabaster, Marmor, Travertin, Oliven oder den Pflanzen des Mittelmeerraumes, ermutigt, Parfümeur zu werden.

Als Parfümeur will Villoresi den jedem Produkt innewohnenden Geruch zur Geltung bringen. Für seine Kunden kreiert er nach einem ausführlichen Gespräch ein ganz persönliches Parfüm. 2006 wurde Villoresi mit dem angesehenen Prix Coty ausgezeichnet, für sein Parfum „Alamut“, das vom Orient und Tausendundeiner Nacht inspiriert ist.

Im prächtigen Palazzo seiner Familie hat der Parfümeur die Verkaufsräume untergebracht, in denen er unter historischen Fresken Damen-, Herren- und Raumdüfte verkauft. Hier sollen in Zukunft auch ein Parfümmuseum und eine Akademie entstehen. 


Infobox

Florenz Kennerin Regina Hahnel bietet maßgeschneiderte Führungen durch Florenz und die Umgebung an, auch zu speziellen Themen oder Interessen, zum Beispiel die besonderen Abendmahl-Fresken der Stadt, Künstlerateliers und verborgene Orte dies- und jenseits des Arnos. Sie begleitet ein oder zwei Personen, aber auch größere Gruppen.

Die Expertin hat für alle Florenz-Besucher noch einen Hinweis zur Reisezeit: „Kommen Sie im Winter. Weil da die Stadt noch lebbar ist. Ab April ist sie gesteckt voll, dann sind die Wartezeiten überall lang. Wenn man sich wirklich für Kunst interessiert, sollte man im Winter kommen. Im Januar zum Beispiel, nach dem Dreikönigstag. Dann sieht man auch mehr Florentiner. Die verlassen nämlich im Sommer lieber die Stadt!“

Kontakt: regina.hahnel@libero.it oder Telefon +39 338 543 5780


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Text: Tenuta delle Rose und Dr. Regina Hahnel
Fotos: Dennis Herzog