Zu Besuch in der Friz BnB und Lounge in Gundelfingen bei Freiburg, Schwarzwald

"Besser das Schöne nehmen"

„Nimm besser einen Cortado“ empfiehlt Ron mit festem Blick, „ich finde der schmeckt besser als ein Cappuccino - aber auf jeden Fall sieht er besser aus“, sagt er nach einer kurzen Pause. Und den Blick für das Schöne hat er nun mal, der freiberufliche Designer. Also füge ich mich der Kaffee-Empfehlung und schlürfe wenig später genussvoll das spanische Getränk aus einem Glas, was in etwa der Italiener Espresso Macchiato (Espresso mit einem Schuss Milch) nennt und dort aber in einer Tasse daher kommt. Ron van Es ist in den Niederlanden geboren und hat hier mit Melanie Thoma und der gemeinsamen Tochter Isabell zusammen seine neue Heimat gefunden. Melanies Familie lebt bereits seit mehr als 300 Jahren rund um die Scheune im Zentrum von Gundelfingen nahe bei Freiburg.

Das Potenzial gesehen, nicht den Verfall…

Die „Scheune“ wird noch so genannt, ist nun aber gar keine mehr: Das Friz BnB hat sich nach anderthalb Jahren behutsamem Umbau von einer alten Scheune zu fünf Ferienwohnungen und einem Café, der Friz Lounge, nebst einigen Mietwohnungen verwandelt. Die Geschichte des Baus über dem steinernen Gewölbekeller reicht 300 Jahre zurück und ist sehr wechselvoll: Schweine, Kühe, Hühner und Pferde lebten hier in der Vergangenheit unter dem großen Dach ebenso, wie handwerkliche Kleinbetriebe über Jahrzehnte Unterschlupf fanden. Seit den 70er Jahren war die Scheune nicht mehr landwirtschaftlich genutzt, war viele Jahre dann einfach Abstellplatz auch für Nachbarn aus dem Ort.

„Was wir hier alles gefunden haben, war unvorstellbar“, sagt Melanie und erinnert sich unter anderem an einen abgestellten Traktor. Der stand quer, etwa dort, wo heute das Apartment 5 eingebaut ist. Melanie, heute Anfang 40, erinnert sich in der Scheune als Kind wundervolle Tage verbracht zu haben. Die Scheune des Großvaters Fritz (daher Friz BnB) einfach aufzugeben, kam für sie daher auch aus emotionalen Gründen nicht in Frage. Ron sah in der alten Bausubstanz nicht den Verfall, sondern vielmehr das Potenzial: So legte er alte Mauern frei und ergänzte den Innenraum mit klaren Linien aus Beton, wo beispielsweise Nasszellen in modernem Design entstanden.

Kontraste und atmosphärische Akzente

Der Kontrast zwischen Alt und Neu wird in der gesamten Scheune auf vielfältige Weise spielerisch variiert. Hier eine alte Werkbank als Küchenarbeitstisch, dort die geraden Linien der Wände aus Sichtbeton, vor denen sich eine moderne Küche zeigt. Hier historische Spielsachen vor offenem Fachwerk, dort spiegelnd blitzend die moderne Espressomaschine unter Dampfdruck. Ein fulminanter Holunderbaum an der Spitze des Hauses konnte bewahrt werden, obwohl er gefährlich nahe am historischen Mauerwerk gründet. 

Als wir 2017 für selected-places.de anreisten war Friz gerade mit den fünf in die Scheunenhülle integrierten Ferienwohnungen gestartet. Vier dauerhaft vermietete Apartments im Obergeschoss ergänzen das Ensemble. Ebenso die Friz-Lounge als ergänzender Gastronomiebetrieb. „Alles ist derzeit im Test-Modus“, sagt Melanie damals, die bei der bekannten Möbelfirma Vitra für das Kommunikationsdesign und die Markenentwicklung arbeitet (siehe auch hierzu unseren Vor-Ort-Beitrag zum Vitra Museum in Weil am Rhein) „Von meiner Arbeit im Projektmanagement kenne ich es, zunächst einmal alle Prozesse zu analysieren und zu untersuchen, bevor wir auf externe Hilfe zurückgreifen“, sagt sie und stellt damit klar, dass die beiden Seiteneinsteiger im Hotel-und Gastronomiegewerbe ihr Projekt fest in den Realitäten geerdet haben.

Vom Traum, mit Leidenschaft Gastgeber zu sein

Denn begonnen hat alles mit dem Wunsch des Paares etwas ganz anderes zu machen als bisher. Vor allem ist das Scheunenprojekt ein Traum, die Rolle als Gastgeber auszufüllen: Mit den Ferienwohnungen und in der Lounge. 

Dass sich etwas im Ortskern des kleinen Gundelfingens bei Freiburg verändert hat, bemerken nicht nur die Nachbarn. Kerstin und Heike beispielsweise fahren auf Ihrem Weg zur Arbeit beinahe täglich an dem betagten Bau vorbei. Die eine mit dem Fahrrad, die andere mit dem Wagen. Die Veränderungen und Aktivitäten, die die jungen Frauen unabhängig voneinander wahr nahmen, trieb sie in die Fitz Lounge, die mit keinem Schild auf ihre Existenz hinweist. 

Mal fragen was das wird. Langsam nähern sie sich. Ron van Es erläutert seine Design-Idee, beschreibt seine Überraschungsmomente, als der die Wände vom Putz befreite und das alte Fachwerk in seiner Struktur wieder hervorkam. Interessierte, staunende Gesichter von Kerstin und Heike. Dann Kaffeepause, leckere von Ron selbstgebackene Schokotorte. Weiterfahren mit neune Erkenntnissen. 

„Ich finde das gut, wenn das Interesse einfach so kommt, ohne groß Reklame zu machen“, sagt Ron. Es scheint als wolle er, dass sich die Gäste dem Rätsel der alten Mauern selbst nähern...