Ein Rundgang durch das heimelige Dorf Brienz im Berner Oberland

"Holz für Hütten, Kunst und Geigen"

In den winzigen Dörfern rund um den Brienzer- oder dem nahe gelegenen Thuner See herrscht traditionell die Chalet-Holzbauweise vor. Doch in Brienz wird die Affinität der Schweizer zum Baumaterial Holz auf die Spitze getrieben: Hier gibt es die einzige Schule für Holzbildhauerei und gleich in deren Nachbarschaft gelegen die einzige Schule für Geigenbau in der Schweiz.

Holzbildhauer aus aller Welt

Im Sommer wird hier ein internationales Holzbildhauer Symposium veranstaltet und die Bevölkerung nimmt am Event direkt am Seeufer teil: Die Arbeiten an Holzskulpturen nehmen in den fünf Veranstaltungstagen langsam Form an, entwickeln schließlich ihr Endstadium, das im rohen Behau des ersten Tages zunächst noch nicht recht erkennbar ist. Ein volksfestartiges Open-Air Programm am See begleitet schließlich das Symposium der Künstler jeweils Anfang Juli jeden Jahres. Zugegeben, das Bild von Brienz zeigt sich normalerweise anders: Kräftige Motorsägen, aber auch kleine und große Schnitzmesser bearbeiten das reichlich vorhandene, meist großformatige, rohe Holz. Alljährlich bestimmt das Holzbildhauer-Symposium die Aktivitäten und das Aussehen von Brienz für fünf Tage. Entlang des Sees und dort an einem zentralen Platz, dem Cholplatz, schleifen, sägen und schnitzen zahlreiche Künstler unter freiem Himmel an ihren Skulpturen. Daneben gibt es ein kostenloses Bühnen-Programm, beispielsweise mit Jazz-Darbietungen, zu dem neben den Brienzern auch Touristen willkommen sind.

Streifzug durch Brienz

Wir entfernen uns von dem Platz und streifen durch die kleinen Straßen neben der Hauptstraße, die parallel zum See gespurt ist. Historische Fachwerkhäuser stehen herausgeputzt da und werden – obwohl direkt vor uns – dennoch vom Bergmassiv im Hintergrund überragt. Die Perspektiven ändern sich beim Laufen, doch es bleibt immer schön: Mal geht der Blick auf die malerischen Berge, dann wieder hinunter zum tiefsten See der Schweiz in das Grün des klaren Wassers auf dem optisch herausragend die Dampfschiffe der Brienzer Seeschifffahrt ihre Kreise ziehen. 

Einmal durch die Ortschaft getingelt, liegt am Ende ein Zentrum des Holzschaffens: Die Geigenbauschule und die Schule für Holzbildhauerei. Beides einmalig in der Schweiz und ein weiteres Indiz dafür wie sehr sich die Holzschaffenden in dieser malerischen Stadt am See ballen.

Seltene Kombi: Geigen und Weine

Wieder zurück auf der Hauptstraße in Richtung Bahnhof begegnen uns zahlreiche illustre Geschäfte mit ihren Auslagen. Wichtig hierbei ist es, den Rundgang außerhalb der Mittagszeit zu planen, denn das gemeine schweizerische Geschäft legt hier eine Pause ein. „Geigen und Weine“ ist eines dieser Geschäfte, das allein schon wegen ihres Namens und deren seltener Kombination unsere Aufmerksamkeit erregt.

Mit der Öffnung der Schwenktür betreten wir die Welt von Stefan Gerny, der inmitten von langen Spänen und Hobelbändern sitzt. Der in sich ruhende Mann ist tatsächlich selbst seit 30 Jahren Geigenbauer und sitzt – wie es scheint sehr vergnüglich – an einem neu entstehenden Klangkörper. Voller Konzentration beugt er vor einem bauchig ausgearbeiteten Korpus aus Holz und schleift beinahe zärtlich dessen Wangen. „Diese hier“, sagt er und deutet dabei auf eine andere Geige, „geht bald auf Weltreise“: Sie sei bestellt von einem Australier, der bei ihm vor einiger Zeit im Laden war.

Eine echte Geige - Souvenir einmal ganz anders

Aha, das überrascht: Also auch Touristen bestellen bei einem Besuch in Brienz mal eben eine Geige. Die kosten je nach Ausführung und eingebrachtem Arbeitseinsatz von 80 oder auch 160 Stunden zwischen 5 und 10 Tausend Schweizer Franken. Aber bei Stefan Gerny fühlt sich auch die prominente deutsche Geigerin und Pianistin Julia Fischer, ehedem mit 23 Jahren jüngste Professorin ihres Fachs, gut aufgehoben. Auch sie lässt von Stefan Gerny Hand an ihre Streichinstrumente legen. Aber für den vorübergehenden Reisenden muss es ja nicht gleich eine Geige sein. Ein schönes Schneidebrett für die Küche - in bauchig geschwungener Geigenform versteht sich - hat Gerny ebenfalls im Angebot. Und das ist dann selbstredend auch deutlich günstiger zu haben. 

Eine sehr persönliche Auswahl an Weinen

Wir erfahren schnell, dass Stefan Gerny nicht nur Geigen als seine Leidenschaft beschreibt, sondern ein genauso emotionsgeladener Weinliebhaber ist. Nichts ist für ihn daher logischer, jetzt neben den Geigen auch Weine aus der Region, aber ebenso welche aus aller Welt im Angebot zu haben. Zu dieser Kombination hat sich Gerny 2012 entschlossen und besucht seither für seinen Einkauf Weinmessen und Weingüter. Das Besondere: Nur was ihm schmeckt, bietet er auch an. Da wir keinerlei Kenntnisse im Geigenspiel haben, bleiben uns nur die Freuden des Weines, wovon wir in der Tat einige wirklich feine Tropfen einkaufen können. Und nach Verkostung am Tag darauf können wir ohne Einschränkung sagen: Der Mann hat Geschmack!

Weiter auf den Rothorngipfel, über den See oder ins B&B Wyler?

Zurück auf der Brienzer Hauptstraße wollen wir gleich weiter: Mit der Bahn zum Thuner See in nur einer halben Stunde oder direkt auf den Rothorn-Gipfel mit einer der spektakulären Rothorn-Zahnraddampfbahnen in einer Stunde. Oder wir lassen uns zu einer Bootsfahrt mit Dampfschiff auf dem See verleiten, so lange wir Lust haben. Oder aber: Es ist genug für heute, wir gehen ins B&B Wyler und lassen dort den Abend ausklingen… Morgen geht es weiter auf Entdeckungstour rund um den Brienzer See.